Es ist deshalb mehr als verwunderlich, dass dieses Hotel 1937
Konkurs anmelden musste. Das Grundstück wurde im Rahmen einer
Zwangsversteigerung durch die Stadtsparbank Gotha erworben, die
offensichtlich kein Interesse an einer Weiterbetreibung als Hotel
hatte. In dieser Phase wurde die Stadt Gotha auf dieses Objekt
aufmerksam. Am 1. Februar 1938 hatte der Obermeister der
Klempnerinnung Rudolph während einer Tagung der Ober- und
Bezirksinnungsmeister des Stadt- und Landkreises Gotha gegenüber
dem Oberbürgermeister den Wunsch geäußert, „die Stadt möge prüfen,
ob nicht bald ein Anbau an das derzeitige Berufsschulgebäude
erfolgen könne, insbesondere um Unterrichtsraum über die Bedeutung
und Verwendung der neuen Werkstoffe zu schaffen.“ Bereits am 22.
Februar wurde eine „Skizze für einen beiderseitigen Anbau, 3
Stockwerke hoch, im Grundstück Schäferstr. 10“ erstellt. Parallel
dazu bat der Oberbürgermeister am 14. Februar „zu prüfen, ob und
inwieweit die Räume des Hotels zum Schützen vorübergehend für
einige Jahre für schulische Zwecke, insbesondere für die Berufs-
oder Handelsschule, nutzbar gemacht werden können.“
Zunächst sollte jedoch das Gebäude der Hitlerjugend als HJ-Heim
angeboten werden. Am 23. Februar fand ein Ortstermin statt. Dabei
wurde festgestellt, dass „sich die Verwendung des Schützen für
Berufschulzwecke durchaus“ eignet und „dass noch nicht einmal
allzugrosse bauliche Veränderungen vorgenommen zu werden brauchen“.
Im November 1938 legte der Gothaer Stadtbaumeister Martin Bauer
einen Entwurf zum Umbau des Schützen zu einer Gewerblichen
Berufsschule vor. Dieser sah die Einrichtung von Klassenzimmern für
Kaufleute sowie für das Nahrungsmittel-, Bekleidungs-, Tischler-
und Graphischen Gewerbes sowie von Arbeitsräumen für Friseure, für
das Bekleidungs- und das Graphische Gewerbe (mit Stein- und
Buchdruckmaschine) vor.
Zum 1. April 1939 erwarb deshalb die Stadt Gotha das Grundstück für
40.000 RM von der Stadtsparbank und am 22. Mai begannen die
Umbauarbeiten. Ab Januar 1940 zogen dann noch das Grundstücks- und
Wirtschaftsamt in den Schützen. Zu Ostern 1940 sollte der Umbau
eigentlich abgeschlossen sein und der Schulbeginn erfolgen. Erst am
9. September 1940 fand jedoch im Rahmen einer schlichten
Feierstunde im Vorsaal des umgebauten früheren Hotels die
Einweihung verschiedener Klassenräume als „Ergänzungsbau der
Knabenberufsschule“ statt. Lediglich das graphische und
Nahrungsmittelgewerbe konnten damals den Unterricht in zwei Räumen
des Flügelanbaus aufnehmen. Die übrigen Räume waren bereits ab dem
1. April 1940 für ein städtisches Hilfskrankenhaus beschlagnahmt
worden, dessen Verwaltung in den Händen des Wohlfahrtsamtes lag.
Diese kriegsbedingte Umnutzung sollte das weitere Schicksal des
Gebäudekomplexes für die nächsten Jahrzehnte bestimmen.
Im Januar 1945 wurde als Luftschutzmaßnahme die „Sicherung des
Hilfskrankenhauses gegen Bomben“ veranlasst. Dazu musste extra ein
„Antrag auf Ausnahme vom Bauverbot“ eingereicht werden. Am 17.
April – also knapp zwei Wochen nach dem Kriegsende in Gotha –
konnte schließlich eingeschätzt werden: „Die Ausführung der
Splitterschutzwand ist gegenwärtig überholt.“ Schließlich war knapp
zwei Wochen zuvor am 4. April Gotha von der 4. US-amerikanischen
Panzerdivision befreit worden. Die Mitarbeiter und Insassen des
Schützen hatte dabei „Logenplätze“, denn die Amerikaner waren vom
Schützenberg und der Eisenacher Straße her nach Gotha eingerückt.
Auch nach Kriegsende blieb es bei der bisherigen Nutzung des
„Schützen“ als Krankenhaus. Am 7. September 1947 beantragte Georg
Bonsack (1882-1950) in seiner Eigenschaft als Krankenhausverwalter
die Renovierung des Hilfskrankenhauses „Schützen“. Dies betraf vor
allem das Streichen der abgenutzten Wände des Treppenhauses und der
Küche sowie die Instandsetzung des kleinen Gartensaals nach
Herausnahme der Maschinen. Damit meinte er wohl die erwähnten
Druckmaschinen aus Berufsschulzeiten.
1949 mussten dann in der nunmehrigen Abteilung I (Allgemeine
Station) des Städtischen Krankenhauses 9.000 DM investiert werden,
um die neue Küchenordnung wenigstens teilweise befolgen zu können.
Irgendwann wurde dann leider auch das gesamte Haus einer
„Sanierung“ unterzogen, was den Verlust der Turmhaube sowie der
Gründerzeitfassade zur Folge hatte.
Später befand sich dann im „Schützen“ – wie das Gebäude noch heute
von den Gothaern bezeichnet wird – die Geburtsklinik. So kam es,
dass viele Gothaer – unter anderem auch der Autor – hier das Licht
der Welt erblickten. Schließlich erfolgte eine erneute Umnutzung
als Stoffwechselklinik. Bis Mitte der 1990er-Jahre hatte deshalb
der Zuckerarzt Dr. Dehmel seine Praxis im Schützen.
Heute wird der Gebäudekomplex nur noch teilweise genutzt. So
befinden sich hier verschiedene Büros und Geschäftsstellen. Die
glanzvolle Vorgeschichte ist dem Gebäude leider nicht mehr
anzusehen. Diese will jedoch die eingangs erwähnte Rosemarie Zocher
in einem Roman verarbeiten, um ihrer „Heimatstadt ein interessantes
und liebevolles Denkmal“ zu setzen. Es handelt sich schließlich um
eine Enkelin des Wirtsehepaares Else und Artur Zacher, so dass
neben den geschilderten Fakten sicherlich auch viele familiäre
Erinnerungen einfließen werden. Auf das Ergebnis können jedenfalls
nicht nur die Gothaer gespannt sein.
Seit 2009 betrieb Familie Schellenberg das Hotel nach umfangreichen
Umbaumaßnahmen und hoffte, so die Tradition des Hauses noch lange
fortführen zu können. Die zentrale Lage hat seit Jahrhunderten
bewiesen, ein guter Standort für Gäste aus aller Welt zu sein.
Seit dem 01.08.2014 ist Frau Angelika Schellenberg Eigentümerin und
führt das Hotel Schützenberg mit Ihrem Team weiter.